19. März 2024

Betäubung, „WALANT“ und Narkose und bei Handoperationen

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Voraussetzung für jeden operativen Eingriff ist die vollständige Schmerzfreiheit im Operationsgebiet selbst. Bei einer Handoperation ist hierzu keineswegs immer eine Vollnarkose notwendig. Alternativ kann eine örtliche Betäubung des unmittelbaren Operationsgebiets („Lokalanästhesie“) oder eine Betäubung der Region und in diesem Fall des Armes (Leitungsbetäubung, „Regionalanästhesie“) durchgeführt werden.

Für die meisten operativen Eingriff an der Hand ist eine Blutfreiheit des Operationsgebietes erforderlich, um beim Eingriff die feinen Strukturen unterscheiden zu können. Erreicht wird dies mit einer Druckmanschette, ähnlich wie beim Blutdruckmessen. Diese wird am Oberarm angelegt und mit Luft gefüllt. Vorher kann mit einer Binde das Blut aus dem Arm heraus gewickelt werden (Blutleere). Eine solche Blutsperre oder Blutleere ist nach einiger Zeit unangenehm und wird dann schmerzhaft. Bei längeren Eingriffen an der Hand, die in einer Blutleere oder Blutsperre durchgeführt werden, ist es daher nicht ausreichend, nur des Operationsgebietes selbst zu betäuben. Bei länger dauernden Eingriffen ist eine Armbetäubung (Plexusanästhesie) oder aber eine Vollnarkose notwendig. Eine ausschließlich auf das OP-Gebiet begrenzte örtliche Betäubung ist dagegen nur bei kurzdauernden kleineren Eingriffen ausreichend.


Eine örtliche Betäubung („Lokalanästhesie“) ist das einfachste Betäubungsverfahren. Eine kleine Menge eines örtlichen Betäubungsmittels wird in unmittelbarer Nähe des Operationsgebietes unter die Haut gespritzt. Sie eignet sich für kleinere Veränderungen, die im Hautniveau oder in unmittelbar unter der Haut gelegenem Gewebe lokalisiert sind.
Der Vorteil einer Lokalanästhesie ist die geringe Menge des verwendeten Betäubungsmittels und des damit verbundenen geringen Medikamentenrisikos. Unerwünschte Nebenwirkungen sind damit äußerst selten. Eine Beschädigung von wichtigen Strukturen durch den Injektionsvorgang ist ebenfalls äußerst unwahrscheinlich. Nachteilig ist die geringe Ausdehnung des betäubten Areals. Nur kleinere Eingriffe können in einer örtlichen Betäubung durchgeführt werden.

Eine Sonderform der örtlichen Betäubung ist die Kombination des Betäubungsmittels mit einem gefäßverengenden Medikament, im Englischen als WALANT-Surgery bezeichnet („Wide awake local anaesthesia no torniquet“). Das Medikament wird eine halbe Stunde vor Operationsbeginn gespritzt. Es führt zu einer stark verminderten Blutungsneigung im Operationsgebiet. Die Wirkung ist mit der Verwendung einer Blutleere vergleichbar. Eine zusätzliche Blutleere durch das Auswickeln des Armen und eine Druckmanschette am Oberarm ist dabei nicht mehr erforderlich. Die Methode eignet sich für alle kleinere Eingriffe wie die Karpaltunnelspaltung und Ringbandspaltung oder Ganglionentfernung. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Eingriffe, bei denen man als Patient aktiv beteiligt ist wie z.B. bei einer Sehnen- oder Gelenklösung, bei der der Finger während der Operation – auf Aufforderung – aktiv bewegt werden soll. Das WALANT Verfahren hat durch die geringe Menge des verwendeten Betäubungsmittel den Vorteil örtlicher Betäubungsmaßnahmen und vermeidet gleichzeitig die Risiken einer Armbetäubung oder Vollnarkose. Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist zudem das verminderte Risiko für die Entstehung von Blutergüssen nach der Operation, auch wenn diese unter der Therapie mit blutverdünnenden Medikamenten durchgeführt wird. Relevanter Nachteil des Verfahrens gegenüber einer vollständigen Armbetäubung oder Vollnarkose ist die geringere Wirksamkeit bei größeren Operationen, für die dieses Verfahren damit nicht geeignet ist.

Wird das Betäubungsmittel in die Nähe von Nerven gespritzt, die einen bestimmten Bereich des Körpers versorgen, bezeichnet man dies als „Leitungsanästhesie“.
Die einfachste Form der Leitungsanästhesie ist die isolierte Betäubung eines einzelnen Fingers. Bei dieser wird das Betäubungsmittel in die Nähe der Fingernerven eingespritzt. („Oberst’sche Fingerbetäubung„). Das Gefühl in der restlichen Hand bleibt erhalten.
Wesentlicher Vorteil der Oberst’schen Fingerbetäubung ist, dass es sich um ein auf den erkrankten Finger begrenztes Verfahren handelt. Die Menge des verwendeten Betäubungsmittels ist gering. Die Gefahr allgemeiner Nebenwirkungen ist äußerst gering. Eine Blutleere oder Blutsperre kann durch eine kleine Fingermanschette realisiert werden. Bei Infektionen oder Durchblutungsstörungen, auch im Rahmen frischer Verletzungen, soll eine Fingerbetäubung nicht durchgeführt werden.

n Höhe des Handgelenks verlaufen die drei Hautnerven für das Gefühl an der Hand dicht unter der Haut. Die örtliche Betäubung eines oder mehrerer dieser Nerven wird als Handblock bezeichnet. Bei einem solchen Handblock wird eine kleine Menge eines örtlichen Betäubungsmittels in die unmittelbare Nähe eines oder mehrere der 3 Nerven gespitzt. Nach kurzer Wartezeit stellt sich eine Taubheit im Versorgungsgebiet der jeweiligen Nerven ein. Vorteilig beim Handblock ist eine zuverlässige Wirkung, die rasch nach der Injektion einsetzt sowie die geringe notwendige Menge an Betäubungsmittel und damit ein geringes Medikamentenrisiko. Nachteilig ist die auf die Hand begrenzte Wirksamkeit. Die für die Anwendung einer Blutleere zur Verfügung stehende Zeit ist daher wie bei einer örtlichen Betäubung begrenzt. Das Verfahren ist daher nur für kürzere Operationen geeignet. In seltenen Fällen kann einer der Nerven durch die Injektionsnadel gereizt oder beschädigt werden.

Die Betäubung des gesamten Armes wird durch eine Injektion eines örtlichen Betäubungsmittels in die Umgebung des Armnervengeflechtes („Armplexus“) erzielt und wird als Armbetäubung oder „Plexusanästhesie“ bezeichnet. In Rückenlagerung bei abgespreiztem Oberarm wird ein solches örtliches Betäubungsmittel unmittelbar unterhalb der Achsel eingespritzt.
Um die exakte Lage der Nadel für die Injektion zu erreichen, wird deren Platzierung unter Ultraschall kontrolliert. Bei früher üblichen Techniken erfolgte die Platzierung der Nadel „blind“, das heißt ohne Kontrolle deren Lage oder unter Zuhilfenahme eines Stromimpulses. Dies war häufig unangenehm oder schmerzhaft, die Wirkung oft unsicher. Die Verwendung des Ultraschalls zu Lagekontrolle hat zu einer ganz wesentlichen Verbesserung geführt. Die Injektion selbst ist wesentlich weniger unangenehm oder schmerzhaft; eine direkte Berührung des Nerven wird vermieden. Die Menge des Betäubungsmittels ist geringer, das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen stark gemindert. Schließlich ist die Wirksamkeit deutlich verbessert. Das Risiko einer unzureichenden Wirkung mit der Notwendigkeit einer zusätzlichen Vollnarkose stark gemindert.
Nach der Injektion wird – abhängig von der Art des Betäubungsmittels – für etwa eine halbe Stunde abgewartet, bis die Wirkung vollständig eingetreten ist. Die Dauer der Wirkung ist wie bei allen örtlichen Betäubungsverfahren von der Art des verwendeten Medikaments abhängig und kann mehrere Stunden betragen. Eine solche Armbetäubung kann mit der Gabe eines Schlaf- oder Beruhigungsmittels kombiniert werden („Dämmerschlaf“). Man schläft oder dämmert ohne die Risiken und Nebenwirkungen einer Vollnarkose.
Vorteilig ist, dass die Betäubung des ganzen Armes auch längere und größere Eingriffe an der Hand und die Verwendung einer Blutleere oder Blutsperre ermöglicht. Die Risiken einer Vollnarkose werden vermieden. Nachteilig ist, dass die Wirkung einer Armplexusanästhesie ist nicht immer ganz vollständig ist. Bei vorhandenem Restempfinden kann die Gabe einer zusätzlichen örtlichen Betäubung in der Nähe des Operationsgebietes notwendig sein. Gelegentlich muss wegen einer nicht vollständigen Schmerzfreiheit doch noch eine Vollnarkose durchgeführt werden. Selten kann es zur versehentlichen Injektion des Betäubungsmittels in die Blutbahn kommen; eine Kreislaufreaktion und Krämpfe können die Folge sein. Sehr selten kann einer der Nerven durch die Injektionsnadel gereizt oder beschädigt werden.

Die Wirkungsdauer aller örtlichen und regionalen Betäubungsverfahren hängt größtenteils von der Art des verwendeten Medikaments ab. Diese kann zwischen 2 und mehr als 10 Stunden betragen und kann durch die Wahl des Medikaments stark beeinflusst werden. Bei der Verwendung lang wirksamer Betäubungsmittel kann das Gefühl in der Hand über viele Stunden nach der Operation gestört sein. Diese sollte man nach der Operation wissen. Sprechen sie Ihren Narkosearzt vorher an!

Immer dann, wenn eine örtliche Betäubung oder eine Regionalanästhesie (Plexusanästhesie) nicht durchgeführt werden soll, kann auch bei handchirurgischen Operationen immer eine Vollnarkose durchgeführt werden. Dies ist dann der Fall, wenn Veränderungen im Bereich der Achselhöhle vorliegen, etwas ein Folgezustand nach Lymphknotenentnahme oder auch eine akute oder chronische Infektion. Andere Gründe sind bestimmte Allgemeinerkrankungen, bei denen örtliches Betäubungsmittel nicht toleriert wird. Auch Operationen, bei denen verschiedene Körperregionen betäubt werden müssen, z. B. eine Transplantation durchgeführt wird, erfordern eine Vollnarkose. Zuletzt kann auch einmal eine unzureichend wirksame oder in ihrer Wirkung nachlassende Wirkung einer Armbetäubung ein Grund für eine Vollnarkose sein. Grundsätzlich schließt daher die Vorbereitung auf eine Armbetäubung auch eine mögliche Vollnarkose mit ein.
Eine Vollnarkose setzt nicht unbedingt auch stationäre Behandlung voraus – auch ambulante Eingriffe können in Narkose durchgeführt werden. Gegenüber örtlichen Verfahren ist dann jedoch ein größerer Überwachungsaufwand notwendig. Auch können Sie danach im Regelfall den Heimweg nicht alleine antreten. Fragen Sie vorher danach!

Letzte Aktualisierung: 8.1.2024