27. April 2024

Beugesehnenverletzungen

Druckversion als PDF Beugesehnennaht

Bei einer Beugesehnendurchtrennung ist eine frühzeitige definitive chirurgische Therapie und langdauernde Nachbehandlung erforderlich.

Die Beugesehnen von Daumen und Finger verlaufen in einem engen, am Knochen geführten Gleitkanal. Durch diese Führung bleibt die Länge der Sehne und damit ihre Spannung über den gesamten Bewegungsablauf bestehen. Für das Gleiten der Sehne in Gewebe ist neben der Sehnenstruktur selbst die Integrität des Gleitkanals notwendig. Neben seiner mechanischen Führung wird im Gleitkanal ein feiner Flüssigkeitsfilm gebildet, der die Beweglichkeit der Sehne ermöglicht. Gleichzeitig werden Blutgefäße zur Ernährung an die Sehne herangeführt.

Ursache einer Beugesehnenverletzung ist in den meisten Fällen eine offene Schnittverletzung mit einem scharfen Gegenstand. Ganz selten wird ein geschlossener Riss der Beugesehne beobachtet; hier liegt in den meisten Fällen eine entzündliche Erkrankung der Sehne zugrunde („Synovialitis“). Eine weitere Ursache einer Ruptur kann eine Schädigung der Sehne durch einliegendes Osteosynthesematerial sein.

Unmittelbar benachbart zu den Beugesehnen und ihrem Gleitkanal verlaufen die Nerven und Blutgefäße entlang des Fingers bis zu dessen Kuppe. Bei einer tiefen Schnittverletzung ist eine gleichzeitige Nerven- und Gefäßschädigung möglich.  

Symptome

Bei einer vollständigen Durchtrennung beider Beugesehnen können Mittel- und Endgelenk des Fingers nicht mehr aktiv gebeugt werden. Das Grundgelenk kann dagegen mit den kleinen Handmuskeln weiter gebeugt werden. Ist eine oder sind beide Beugesehnen jedoch nur angeschnitten und zum Teil durchtrennt, ist die Beweglichkeit anfangs nur wenig beeinträchtigt. Sind nur wenige Fasern noch erhalten, kann es hier nach einem Zeitintervall nach mehreren Tagen („zweizeitig“) zu einem Riss der noch erhaltenen Fasern und dann zu einer Beugeunfähigkeit kommen.

Wurde bei der Verletzung ein Fingernerv beschädigt, kommt zur Bewegungsstörung ein Taubheitsgefühl hinzu.

Behandlung

Eine Beugesehnenverletzung ist ein medizinischer Notfall.  Wird die Sehnenverletzung gleich festgestellt, kann eine direkte Sehnennaht erfolgen. Die Behandlung einer Beugesehnendurchtrennung erfordert sowohl die Naht der Sehne als auch die Wiederherstellung des Sehnengleitkanals. Die Erfolgsaussichten einer Behandlung sind am besten, wenn unmittelbar mit der Versorgung der Wunde auch eine Sehnennaht durchgeführt wird. Wird die Sehnenverletzung verspätet festgestellt und versorgt, steigt die Gefahr von Verklebungen im Operationsgebiet.

Nachbehandlung

Eine Beugesehnenverletzung mit Sehnennaht erfordert eine aufmerksame Nachbehandlung. Das Prinzip der Nachbehandlung ist, die genähte Sehne unter Entlastung im Gewebe zu bewegen, um Verklebungen und Vernarbungen zu vermeiden. Gleichzeitig muss bei der Mobilisation und Bewegung die Entlastung so lange aufrechterhalten werden, bis eine Festigkeit der Sehne eingetreten ist. Die Heilungsdauer der Sehne ist mit insgesamt 3 Monaten anzunehmen, in denen die Belastung ganz allmählich gesteigert werden kann. 

Bewährt ist die Gummizügel-Nachbehandlung nach ihrem Erstbeschreiber Kleinert. Die Sehne wird durch eine Beugestellung des Handgelenks und des Grundgelenks des betroffenen Fingers entlastet. Hierzu werden Handgelenk und Fingergrundgelenk mit einer äußeren, streckseitig angelegten Schiene in einer mittleren Beugestellung gehalten. Am Fingernagel wird ein Gummizügel befestigt, der Mittel- und Endgelenk des Fingers ebenfalls in eine Beugestellung führt, sodass die Muskelspannung weitgehend ausgeschaltet wird. Aus dieser Stellung heraus darf der Finger durch Muskelanspannung aktiv gestreckt werden, im günstigsten Fall bis zur vollständigen Streckung von Mittel- und Endgelenk. Die Anspannung zur Fingerstreckung wird dann allmählich verringert, bis durch den Zug des Gummizügels wieder eine Beugestellung erreicht wird.

Trotz adäquater Behandlung sind Komplikationen im Heilverlauf bei Beugesehnenverletzung gerade bei Beugesehnenverletzungen nicht selten. Durch eine vorzeitige inadäquate Belastungsaufnahme kann es zum Riss der genähten Sehne kommen. Häufiger ist jedoch die Entwicklung von Verklebungen der Sehne im Gleitkanal mit der Folge einer Bewegungseinschränkung des Fingers. Meist entsteht dabei eine Verkrümmung („Beugekontraktur“) des mittleren Fingergelenks. Erkennbar ist die Entwicklung solcher Komplikationen meist schon im Verlauf der Nachbehandlung. Tritt eine solche Bewegungseinschränkung oder Verkrümmung auf, kann sie durch konservative Maßnahmen und Dehnungsbehandlung zumindest graduell gebessert werden. Auch kommt es in der weiteren Entwicklung in den Monaten nach der Verletzung und Sehnennaht wieder zu einer Lockerung der Verwachsung und zumindest zu einer graduellen Besserung der Beweglichkeit.

Entwickelt sich trotz aller Maßnahmen eine nicht mehr besserungsfähige Bewegungseinschränkung und Verkrümmung des Fingers, kann dies kann durch operative Maßnahmen wieder verbessert werden. Zu diesen Maßnahmen gehören die operative Sehnen- und Gelenklösung. Bei der Operation („Tenolyse“ = Sehnenlösung, „Arthrolyse“ = Gelenklösung) werden Verwachsungen im Gelenkbereich gelöst, Verklebungen der Sehnen getrennt.

Die Nachbehandlung nach einer Tenolyse unterscheidet sich wesentlich von der Nachbehandlung nach einer Sehnennaht. Sie besteht in einer mehrmals täglichen intensiven aktiven und passiven Beübung. Im Gegensatz zur Sehnennaht ist nach einer Sehnenlösung einer genähten Sehne die Festigkeit der Sehne vorhanden, sodass unmittelbar kraftvoll bewegt werden kann und auch muss.

Sind die Verwachsungen nach einer Sehnennaht erheblich und ist der Gleitkanal stark vernarbt, ist eine Sehnenlösung nicht erfolgversprechend. Der vollständige Ersatz der vernarbten Beugesehne (Transplantation) stellt dann die bessere Lösung dar. Dabei müssen hier nicht nur die Sehne, sondern auch der Sehnengleitkanal und beschädigte der Ringbänder wiederhergestellt werden. Die Eine solche Sehnentransplantation erfordert zwei operative Eingriffe. In einem ersten Schritt wird die verwachsene Sehne komplett entfernt und durch einen Silikonstab ersetzt. Eventuell beschädigte Ringbänder werden wiederhergestellt. Im Anschluss an die Einlage des Silasticstabs erfolgt eine intensive Beübung, bis der operierte Finger passiv frei beweglich ist. In den Wochen nach dem Ersteingriff bildet der Körper eine Hülle um den Silikonstab („Silasticstab“), die dann als Gleitlager für die transplantierte Sehne fungiert. Bei der eigentlichen Transplantation wird in einem zweiten Eingriff der Silasticstab entfernt. Eine entbehrliche Sehne wird vom Unterarm oder Unterschenkel entnommen und in den so neu geschaffenen Gleitkanal eingesetzt. Sie wird mit dem Sehnenstumpf am Unterarm vernäht und am Fingerknochen angeheftet.

In vielen Fällen kann man erst während der Operation entscheiden, ob eine Sehnenlösung möglich ist oder die Tranpalntation die bessere Lösung darstellt. Man soll dies vor dem Eingriff besprechen, um bei der Operation die richtige Entscheidung zu treffen.

Empfehlung

Bei einer Schnittverletzung im Beugesehnenverlauf soll eine eventuelle Sehnenverletzung bei der Erstversorgung festgestellt und definitiv behandelt werden.

Die Nachbehandlung ist von gleicher Wichtigkeit. Sie muss mit großer Aufmerksamkeit bis zur vollständigen Heilung durchgeführt werden.

Verbleiben Funktionseinschränkungen nach Behandlungsabschluss, sind operative Korrekturen möglich. Deren Erfolgsaussichten sind als unsicher zu betrachten.

Letzte Aktualisierung: 8.1.2024