Druckversion als PDF Medizinisches
Kommt es nach einem Trauma oder einer Operation zu brennenden Schmerzen, einer Schwellung und Überwärmung sowie zu vermehrtem Schwitzen in erheblichem Grade über einen längeren Zeitraum über die Heilung hinaus, spricht man von einem CRPS („complex regional pain syndrome“, „Sudeck’sche Erkrankung“).
Immer kommt es auch nach einer Operation in sehr unterschiedlichem Grade zu solchen Veränderungen und Erscheinungen. In der Regel entwickeln sich diese Veränderungen in den ersten Tagen nach der Operation, und gehen dann innerhalb weniger Tage zurück.
Jede Art der Gewebeschädigung – und damit auch jede Operation – führt zu einer Reaktion des ortsständigen Bindegewebes. Blutgefäße erweitern sich, die Durchblutung wird gesteigert. Gefäßwände werden durchlässiger, Flüssigkeit und Blutzellen treten aus der Blutbahn in das Gewebe. Die resultierenden Symptome brennender Schmerzen, einer Schwellung, einer Überwärmung und vermehrten Schwitzens können als Begleiterscheinung jeder Gewebeschädigung auftreten. Dazu gehört jede Art eines Traumas, einer Operation oder auch einer Infektion. Der Sinn der Gewebereaktion ist die Bereitstellung sämtlicher Faktoren zur Reparatur vorhandener Schäden.
In sehr seltenen Fällen kommt es nach Verletzungen und operativen Eingriffen an der Hand, weniger auch am Fuß, zu solchen Veränderungen in einer Ausprägung, die deutlich über die typischen Trauma- oder Operationsfolgen hinausgeht. Zusätzlich kann es zu Veränderungen des Knochengewebes mit einem Verlust der Knochendichte kommen.
Typisches CRPS an der rechten Hand nach einem handgelenksnahen Speichenbruch
Ein CRPS Typ I stellt keine einheitlich definierte Erkrankung dar. Bis heute kennen wir die Ursache dieser besonderen Entwicklung von postoperativen Veränderungen nicht. Man kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob die Einzelsymptome zusammenhängen und es sich überhaupt um einheitliches Krankheitsbild handelt. Auch hängt die Schere der Veränderungen nicht mit der Schwere der auslösenden Ursache ab- auch ein geringfügiges Trauma kann zur Entwicklung eines schweren CRPS führen.
Entwickeln sich einige dieser Veränderungen in erheblichem Grade über einen längeren Zeitraum, spricht man von einem CRPS (englisch: „complex regional pain syndrome“). Gleichbedeutend sind die Begriffe „Sudeck’sche Erkrankung“ oder „Dystrophiesyndrom“.
Bei einem CRPS stehen die reaktiven Veränderungen in ihrer Ausprägung und Intensität nicht mehr im Verhältnis zur auslösenden Ursache.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei verschiedene Formen eines CRPS. Die zuvor beschriebenen Veränderungen bezeichnen ein CRPS Typ I. Ein solches CRPS vom Typ I kann nach jeder Art der Verletzung oder nach jeder Operation auftreten. Ganz selten einmal kann ein CRPS Typ I auch ohne eine äußere Schädigung vorkommen. Unter einem CRPS Typ II versteht man hingegen ein Schmerzsyndrom, dass nach einer direkten Nervenschädigung auftritt. Im Vordergrund steht hier der sogenannte neuropathische Schmerz (Nervenschmerzen). Auch hier übersteigt die Intensität der vorliegenden Symptome die Schwere der zugrundeliegenden Schädigung. An der Hand können beide Typen eines CRPS auftreten. Bei einem CRPS Typ I werden neben dem brennenden Ruheschmerz die beschriebenen Veränderungen des Gewebes beobachtet. Ein CRPS Typ II wird nach traumatischer Verletzung eins Nervens an Unterarm oder Hand beobachtet.
Man kann ein CRPS Typ I in Stadien einteilen.
Im akuten Stadium steht der Schmerz im Verletzungsgebiet im Vordergrund. In unregelmäßiger Intensität findet sich eine auch über das Trauma hinausgehende Schwellung wie eine vermehrte Hautfeuchte, eine Überwärmung und Überempfindlichkeit.
Im sogenannten dystrophen Stadium findet sich eine Verhärtung der Weichteile, ein vermehrtes Haarwachstum und möglicherweise auch vermehrtes Nagelwachstum. Es können Veränderung an Muskulatur und Knochen bestehen („fleckförmige Entkalkung“). Ganz charakteristisch ist eine Bewegungsstörung der Fingergelenke, auch wenn diese von der ursprünglichen Verletzung nicht betroffen waren.
Im athrophen Stadium finden sich fixierte Veränderungen des Bindegewebes und der Schmerzwahrnehmung. Im Vordergrund steht eine Bewegungseinschränkung der Gelenke, während Schwellung und Schmerzen rückgebildet sind.
Neben der körperlichen Untersuchung durch den Arzt ist eine Röntgenuntersuchung notwendig, um eine fleckförmige Entkalkung feststellen zu können. Mit einer sogenannten Szintigrafie wird die Durchblutung des Gewebes grafisch abgebildet. Von der Diagnose eines CRPS spricht man dann, wenn mehrere der beschriebenen Symptome zusammentreffen. Bestehen Gefühlsstörungen oder Missempfindungen, ist eine neurologische Untersuchung erforderlich um einen eventuell schwellungsbedingten Nervendruckschaden feststellen oder ausschließen zu können.
Die Therapie eines CRPS zielt auf die Besserung der bestehenden Krankheitserscheinungen und ihrer Symptome. Ein einheitlicher Therapieansatz, wie er bei zahlreichen anderen Krankheiten möglich ist existiert bei einem CRPS nicht. Der Erfolg von Maßnahmen, die ein CRPS „als Ganzes“ bessern können ist medizinisch wissenschaftlich nicht belegt. Hierzu gehören Nervenblockaden im Halsbereich („Stellatumblockade“) oder auch sämtliche Medikamente wie auch Kortison.
Zu den wesentlichen Eckdaten der Behandlung gehören die medikamentöse Schmerztherapie, die physikalische Therapie und die Ausschaltung schmerzauslösender Faktoren.
Die medikamentöse Schmerztherapie stellt einen wesentlichen Teil der Behandlung dar. Bestimmte Medikamente sind hier stärker wirksam als „normale“ Schmerzmittel. Eine erfolgreiche Schmerztherapie ermöglicht oder unterstützt alle weiteren Maßnahmen der physikalischen Therapie. Der zeitliche Verlauf eines CRPS wird allerdings durch die Schmerztherapie nicht beeinflusst.
Die Ausschaltung von chronischen schmerzauslösenden Faktoren. Dies hängt ganz konkret von der zugrundeliegenden Verletzung und ihrer Versorgung ab. Zu solchen schmerzauslösenden Faktoren kann eine chronische Wunde gehören, eine instabile Fraktur oder Osteosynthese oder auch eine Nervendruckschädigung. Grundsätzlich soll jedes zusätzliche Trauma vermieden werden. Hierzu gehört jeder Art der operativen Maßnahme nach der es zu einer akuten Verschlechterung kommen kann.
Operative Maßnahmen während eines CRPS und auch in den ersten Monaten nach Ablauf eines CRPS können dieses wesentlich verschlechtern und sind nur zur Korrektur solcher chronischen schmerzauslösenden Faktoren angebracht.
Eine physikalische Therapie dient zur Besserung der vorliegenden funktionellen Störungen. Ganz verschiedene Techniken wurden hierbei in der Vergangenheit angewendet und auch mangels eines Wirkungsnachweises wieder verlassen. Auch ist es nicht möglich, eine generelle Empfehlung für ein bestimmtes Verfahren zu geben. Art und Intensität der physikalischen Behandlung wird dem Verlauf der Erkrankung angepasst. Im Frühstadium stehen bewegungsfördernde Maßnahmen im Vordergrund. Eine Schmerzprovokation soll vermieden werden. Art und Intensität werden an die Schmerzsymptomatik und der Veränderungen im Weichteilgewebe angepasst. Bestimmte psychomotorische Verfahren haben ihren Wert. Beim CRPS ist dies zum Beispiel die Spiegeltherapie. In späteren Stadien steht die Behandlung resultierender Bewegungseinschränkung im Vordergrund.
Schwer zu bewerten ist die Wirksamkeit psychologischer Therapien. Deren Wirksamkeit ist bleibt dem Einzelfall überlassen.
Empfehlung
Ein nachgewiesenes CRPS verlangt nach einer „multimodalen“ Therapie die auf die einzelnen Symptome und Beeinträchtigungen speziell ausgerichtet ist.
Ein therapeutisches Team ist erforderlich. Schmerztherapeut, Handtherapeut, Chirurg.
Bei einem schweren CRPS kann ein stationärer Reha-Aufenthalt hilfreich sein.
Ausblick und Prognose
Der Verlauf eines CRPS ist langwierig und erstreckt sich über Monate.
So verschieden die Intensität und Symptome eines CRPS sind so unterschiedlich ist auch das Resultat am Ende der Krankheitsentwicklung. Milde Formen eines CRPS können sich vollständig zurückbilden.
Bei schweren Formen verbleiben chronische Schmerzen und eine erhebliche Bewegungseinschränkung.
Bei einem schweren CRPS sollte daher schon frühzeitig die möglichen Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit mit in die Berufs- und Lebensplanung aufgenommen werden.
Nach Ablauf eins CRPS scheint nach einer Operation ein höheres Risiko für ein Neuauftreten zu bestehen. Dieses Risiko geht mit der Zeit zurück. Operative Behandlungen am betroffenen Arm im ersten Jahr nach Ablauf eines CRPS sollten daher nur bei zwingender Notwendigkeit durchgeführt werden.
Letzte Aktualisierung: 10.10.2024