Druckversion als PDF Häufig gestellte Fragen
Wird ein Nerv in seiner Kontinuität getrennt, können die Enden durch eine Naht einander angenähert werden. Nach einer Nervennaht kommt es nach einem längerem Zeitintervall zu einer partiellen Regenration.
Eine offene Verletzung an Hand oder Unterarm mit scharfem Gerät führt nicht selten zur Beschädigung von Sehnen, Blutgefäßen und Nerven. Die Durchtrennung eines solchen „peripheren“ (außerhalb von Gehirn und Rückenmark gelegenen) Nerven führt unmittelbar zu einem Ausfall des Gefühls im Bereich des durch diesen Nerven versorgten Körperareals und/oder zu einer Lähmung der von diesem Nerven versorgten Muskeln.
Wird ein Nerv oder ein Nervenast vollständig durchtrennt, ziehen sich die Nervenenden durch die Gewebeelastizität zurück und es kommt zu einer Distanzierung der Nervenstümpfe. In dem Nervenstumpf, der zur Körperperipherie führt, bilden sich die Einzelfasern (Axone) zurück. Lediglich das Hüllgewebe um die Einzelfasern bleibt erhalten. Aus dem vom Körperzentrum kommenden Nervenstumpf treten die Nervenfasern aus und wachsen in die Körperperipherie vor. Finden Sie das korrespondierende Nervenende, können Sie an den Hüllstrukturen entlang in Richtung auf die Körperperipherie vorwachsen und ganz allmählich regenerieren. Nach vielen Tagen können Sie das ursprüngliche Erfolgsorgan wieder erreichen. Der Vorgang ist langwierig – eine Wachstumsgeschwindigkeit der Fasern von etwa ca. 1 mm pro Tag ist realistisch.
Die auswachsenden Fasern erreichen nur dann das korrespondierende Nervenende, wenn der Abstand zwischen den Stümpfen nicht zu groß und der Zwischenraum nicht von Gewebe ausgefüllt ist. Die zur Regeneration notwendige Gegenüberstellung der Nervenenden ist spontan nicht möglich. Dies kann durch eine Nervennaht erreicht werden, die die Nervenstümpfe gegenüberstellt. Unter optimalen Bedingungen findet dann ein mehr oder weniger großer Anteil der auswachsenden Fasern ihr Ziel. Selbst in dieser Situation erreichen jedoch nicht alle auswachsenden Fasern den korrespondierenden Nervenstumpf. Der Anteil der Fasern, die diesen erreichen, ist von vielen Faktoren abhängig. Hierzu gehört die Ausprägung des Gewebetraumas und nicht zuletzt die technische Ausführung einer eventuellen Nervennaht.
Nervenfasern, die das periphere Nervenende nicht erreichen, wachsen in das Gewebe und bilden hier einen Nervenknoten (sogenanntes „Neurom“). Ein solches Neurom kann unter Berührung der über dem Knoten gelegenen Haut sehr schmerzhaft sein.
Die Diagnose einer Nervenbeteiligung im Rahmen einer Schnittverletzung kann meist schon durch die körperliche Untersuchung im Rahmen der Erstversorgung gestellt werden. Schon die Lokalisation der Verletzung ergibt Hinweise auf eine mögliche Beteiligung bestimmter Nerven. Die gezielte Untersuchung der Gefühlsqualitäten und der eventuell versorgten kleinen Handmuskeln ergibt zumindest Verdachtsmomente auf das Vorliegen einer Nervenbeteiligung.
Besteht nach einer offenen Verletzung der Verdacht auf eine Nervenbeteiligung, so sollte diese im Rahmen der chirurgischen Versorgung nach Möglichkeit auch definitiv versorgt werden. Die Prognose einer Nervennaht ist dann besser als bei einer verzögerten Versorgung nach mehreren Tagen.
Behandlung
Eine erfolgreiche Nervennaht setzt die Möglichkeit zu mikrochirurgischem Operieren voraus: Das Vorhandensein eines Operationsmikroskops, entsprechende Instrumente und Nahtmaterialien sowie nicht zuletzt eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung des Chirurgen. Dies wird bereits bei der Planung der chirurgischen Versorgung berücksichtigt.
Ob eine vollständige Nervendurchtrennung, eine teilweise Nervendurchtrennung oder nur eine Nervenquetschung ohne Kontinuitätsdurchtrennung vorliegt, wird im Rahmen der operativen Versorgung definitiv festgestellt. Während der operativen Versorgung wird entschieden, ob die Nervenenden gleich genäht werden können, oder ob Gründe dagegensprechen, wie dies bei schweren Verletzungsformen möglich ist. Eine direkte Nervennaht ist möglich, wenn die Nervenenden ohne Spannung angenähert werden können.
Wenn eine längerstreckige Verletzung des Nerven durch ein erhebliches Gewebetrauma vorliegt, ist eine direkte Nervennaht im Rahmen der Erstversorgung nicht möglich. Ist die Defektstrecke zwischen den Nervenstümpfen nicht zu lang, kann er bei der Erstversorgung mit einem Nervenröhrchen überbrückt werden. Ist die Defektstrecke über mehrere Millimeter lang, wartet man zunächst die Heilung ab. In einem zweiten Eingriff wird der Defekt durch Nervenäste überbrückt, die von anderer Stelle entnommen werden. (Nerventransplantation).
Risiken und Komplikationen
Ist ein Nerv durchtrennt, liegen die Risiken nicht darin, eine operative Wiederherstellung durchzuführen, sondern eher darin, auf eine primäre definitive Operation zu verzichten. Der operative Eingriff reduziert die Komplikationsrate.
Die Komplikationen und Risiken liegen in den Folgen einer unvollständigen Regeneration. Auch unter technisch optimaler technischer Operation ist die Wiederherstellung immer nur partiell.
Diejenigen Nervenfasern, die sich nicht regenerieren, führen zu einer Überempfindlichkeit im Narbenbereich. Im schlimmsten Fall kann sich ein schmerzhafter Nervenknoten ausbilden.
Aussichten
Nach der direkten Naht eines durchtrennten Nerven ist es immer nur ein Teil der Nervenfasern, der sich entlang des ursprünglichen Faserverlaufs regenerieren kann. Die Erholung kann daher auch immer nur partiell sein.
Das funktionelle Resultat ist zusätzlich von mehreren anderen Faktoren abhängig. Dazu gehört die Art der Verletzung: bei einer glatten Schnittverletzung mit direkter Naht bei der Erstversorgung wird ein besseres Ergebnis erwartet, als nach einer Quetschung und Nerventransplantation. Auch das Alter bei der Verletzung spielt eine ganz wesentliche Rolle. Während im Wachstumsalter sehr gute Aussichten für eine weitgehende Erholung der Funktion bestehen, sind im hohen Alter die Aussichten auch dann schlecht, wenn die Anzahl der generierten Fasern hoch ist.
Neben der Wiederherstellung funktioneller Qualitäten kommt es immer auch zu unangenehmen mit Empfindungen, verursacht durch diejenigen Fasern, die nicht zur Regeneration führen. Auch hier ist die subjektive Bewertung sehr stark altersabhängig.
Empfehlung
Vor der Versorgung einer tiefen Wunde soll durch die Untersuchung festgestellt werden, ob die Möglichkeit einer Nervenverletzung besteht.
Bei einer offenen Verletzung begründet der Verdacht auf das Vorliegen einer Nervenbeteiligung das Vorliegen eines medizinischen Notfalls. Eine möglichste frühzeitige definitive Versorgung sollte unter Bedingungen stattfinden, die eine unmittelbare („primäre“) Nervennaht ermöglichen.
Kann bei der Erstversorgung keine direkte Naht durchgeführt werden, kann eine Transplantation zum späteren Zeitpunkt zumindest zu einer partiellen Wiederherstellung der Nervenfunktion führen.
Letzte Aktualisierung: 10.10.2024